Wird eine der ältesten Kaninchenrassen Opfer des Tierschutzes ?

 

Bericht von Dieter Plumanns (Belgien) zu den Englischen Widdern

 

In Sachen Englische Widder

In fast allen Ländern wurden in letzter Zeit Massnahmen ergriffen, um fragwürdige Extremzüchtungen, wie sie augenscheinlich beim Englischen Widder vorkommen, entgegen zu wirken.

Die langen Ohren sind nicht jedermanns Sache, in der Kaninchenwelt zucken die meisten Züchter mit den Schulterachseln und es ist ihnen egal was mit dieser, für den Anhänger phantastischen Rasse geschieht. Die wenigsten Kaninchenzüchter haben sich je ernsthaft mit der Zucht der Englischen Widder beschäftigt. Eine Ohrenspannweite von 70 cm, zählt heute als verspönt, doch welcher Züchterfleiss und -pflege dahinter steckt, wird ignoriert.

Dabei sind die Englischen Widder regelrechte Kunstwerke der Natur, welche nur mit ausserordentlich viel Züchterergeiz gelingt.

Die Ohren der Kaninchen wachsen in den ersten Monaten und die maximale Ohrenspannweite dürfte bereits fast bei vier Monaten erreicht sein.

Wir kennen die Empfindlichkeit in dieser Wachstumsphase bei allen Rassen. Schnell haben Jungtiere die eine oder andere Darmverstimmung. Bei den Englischen Widder kommt dies selbstverständlich auch vor – doch die 70 cm Ohrenspannweite, kann nun bereits abgeschrieben werden!

 

Die Hauptstruktur der Ohren bildet ein weiterer Schwerpunkt. Eine optimale Haltung, frühzeitigem Absetzen der Jungtiere, frühe ständige Krallenpflege, entsprechende Einstreu und ausgezeichnete Stallanlagen, sind Voraussetzungen einer erfolgreichen Englisch-Widder-Zucht.

Für den Englischen-Widder-Experten ist leicht festzustellen, ob ein hochwertiges, der Rasseneigenschaft „Ohren“ entsprechendes Ausstellungsexemplar auf den Tisch sitzt. Es genügt die Ohren anzufühlen und zu -tasten um festzustellen, ob sich darin Knoten, Narben oder sonstige Deformationen befinden. Sobald die Ohrstruktur in Ordnung ist, kann die Länge und Breite der Ohren nebensächlich werden. Wichtig ist eine entsprechende gute Ohrstruktur, ob nun 60 oder 70 cm Spannweite. Die Ohrstruktur sollte von den Preisrichtern und Experten der Englischen Widder als Hauptrasseneigenschaft gewürdigt werden. Alle Mängel sollten entsprechend kritisch betrachtet und bewertet werden.

Zu empfehlen ist, dass in allen zuständigen Kommissionen und dies in allen Ländern, wo Englische Widder gezüchtet werden, die verschiedenen Masstabellen sogar aus dem Standard gestrichen werden. Das Wetteifern um die längsten oder breitesten Ohren gilt der Vergangenheit und die Anforderungen im Standard, sollten lediglich mit den Worten beschrieben werden: „Die Ohrenlänge und -breite sollte zum Englischen Widder passen!!“

 

Auf Schauen sind es die Züchter und Experten selbst, die die Tierschützer regelrecht herausfordern mit dem Wetteifern der Ohrmassen und der Vergabe der Punkte. Sind wir doch ehrlich, welcher Tierschützer kann die Ohren der Englischen Widder sachkundig messen, hier hapert es selbst bei den meisten Experten!

Für die Zukunft ist zu wünschen, dass wir unsere Englischen Widder erhalten als Rasse für den Kenner in Sachen Kaninchenzucht, dass sie tiergerecht und sachkundig in der Oeffentlichkeit vorgestellt wird und nicht als „Opferlamm“ aus Unwissenheit gegenüber dem Tierschutz hergegeben wird.

 

Im alten belgischen Standard stand nur ein Hinweis zum Ohrenmass: Länge ab 58 cm, und keine Maximumlänge. Trotzdem kamen vereinzelt sehr gute Tiere auf den Schauen vor. Die Schönheit der einzelnen Kaninchenrassen muss nicht immer mit der Waage oder mit dem Metermass festgestellt werden!!

 

Die Englischen Widder bei der Europaschau in Wels 2000

 

Da ich einer der Preisrichter/Experten der Englischen Widder auf der Europaschau in Oesterreich war, wurde ich von Fritz Kilgus, anlässlich der Tagung des Europaverbandes in Thun, im Mai 2001,  gefragt, doch einen Bericht zu verfassen, da bislang nirgendwo etwas über die Englischen Widder veröffentlich wurde........

 

Insgesamt wurden 27 Englische Widder von sechs Ausstellern aus drei Ländern ausgestellt, welche von 5 (!) Preisrichtern bewertet wurden. In der Position Typ und Körperform wurde einmal 19.5 Punkte vergeben und siebenmal 19 Punkte, aus allen Ländern wurde hier Spitzentiere gezeigt. Beachtlich, da vor allem die Hinterhand im allgemeinen zu verbessern gilt und auch in Wels die meisten Punktabzüge hierfür stattfanden. In der Position „Gewicht“ wurde generell die Note „10“ vergeben, da das Gewicht geschätzt wurde. In der Position „Fell“ wurde 11 mal die Note „19“ vergeben, welches bezeugt in welch ausgezeichneter Schaukondition sich die Tiere befanden.

Laut dem Europastandard wurde die Position vier - der Kopf bewertet, hier gab es lediglich nur fünfmal die „5“. Vermutlich bleibt hier noch mehr Aufklärung zu machen, im Europastandard heisst es:

„Der Kopf ist länglich mit stark gebogenem Nasenbein.“

Diese Beschreibung ist natürlich im Gegensatz zu den anderen Widdern (Französische), dort wird der Kopf wie folgt beschrieben:

„Breit, stark entwickelt, gebogene Ramsnase, breite Stirn und kräftige Backenpartie.“

Die Note „15“ wurde siebenmal bei der Position „Ohren“ vergeben, hier herausragend der Europameister und -champion Stefan Marquart aus Worms (D). Die Strukturfehler sollten in dieser Position bestraft werden, doch Benotungen von „11“ -ohne Kritik auf der Bewertungskarte, lässt nur vermuten, dass die Spannweite und -breite bewertet wurde. Durch die zur Zeit stattfindenden Standardumänderungen in den verschiedenen Ländern und Anpassungen des Europastandards, wurde allgemein ein fairer fortschrittlicher Bewertungskompromiss gefunden. Die Spannweite und -breite, sowie die Ohrenstruktur wurde bei 25 Tieren in einem Spielraum von 1,5 Punkten ausgezeichnet bewertet. Bei der Bewertung der Farbe wurde nur ein weisser Rammler verständlicherweise mit der Höchsnote bewertet, dagegen war der grau-weiss gescheckte Rammler schon eine Ausnahme!

In der Ehrenposition erhielten alle Tiere, ausser einen kleinen Beanstandung die Bewertung „Hervorragend“! Dies unterstreicht nochmals, dass zumindest die Aussteller auf der Europaschau die Tiere entsprechend pflegen, wie dies beim Englischen-Widder Voraussetzung ist.

Der bereits erwähnte Stefan Marquart, stellte mit 97 Punkten, das beste Einzeltier, weitere absolute Spitzentiere zeigten mit 96.5 Punkten, Fritz Kilgus aus Lenzerheide (CH), Comb. Karpf aus Gerlafingen (CH), Walter Krimbacher aus Goldegg(A) und Sabrina Etschbacher aus Egen (A).

Als Preisrichter fungierten:

A – Franz Dankl aus Maishofen (A)

B – Dieter Plumanns Kirchplatz 9, B-4720 Kelmis  Belgien

C – Walter Blümel aus Villach (A)

D – Volker Bültemeyer aus Stadthagen (D)

E – Wolfgang Steglegger aus Bad Ischl (A) (Von ihm wurden 2 Tiere nachbewertet.)

Obmann – Jacques Czeschan aus Lutterbach (F)

 

Schlussbemerkung

 

Gegenüber dem Tierschutz, sind wohl alle Kaninchen- und Kleintierzüchter gefordert und nicht nur die Züchter der Englischen-Widder. Aufklärung tut hier gut - den Züchter schwieriger Rassen, möge die Erfahrungen und -kenntnisse der Kenner dieser Rasse weitergegeben werden. Den Tierliebhabern, wiederum die Kenntnisse der Züchter. Nur mit Oeffentlichkeitsarbeit, ist das augenblickliche Negativdenken gegenüber den Englischen Widder zu widerlegen.

Den Züchtern dieser Rasse ist zu wünschen, dass ihre Vertreter in den verschiedenen Verbänden und Kommissionen, sie mit entsprechender Sachkundigkeit über die Engischen Widder bei der Bevölkerung und den zuständigen Behörden repräsentieren.

Alle unsere Haustierrassen lebten in der Wildform anders als heute, doch durch die Liebe des Menschen zum Züchten entstanden unsere heutige Vielfalt der Rassen.

Durch die Mithilfe des Menschen liess die Natur diese Abarten der Wildform entstehen. Im Genesis 1.28 heisst es u. a. „ich setze euch über Fische, die Vögel und alle anderen Tiere und vertraue sie eurer Fürsorge an“!

Zum Züchten der Englischen Widder braucht es vor allem „Fürsorge“ und hier legen die engagierten Züchter bei den Ausstellungen ständig Zeugnis ab.

Mangel an Fürsorge haben bestimmt viele schöne kleine graue Kaninchen mit Stehohren, welche auf dieser grossen Welt in dunklen Hinterhöfen bei schlechtem Futter gehalten werden – die aber niemand sieht oder sehen möchte.

Wir brauchen immer wieder Erklärungen, warum und weshalb? Bei den Englischen Widder haben wir es durchaus mit einer Mittelrasse zu tun, welche entsprechend viel Fleisch produziert. Doch es scheint, dass die Ohren im Vordergrund stehen, sicherlich ist es schwer, einen Nutzen dieser langen Ohren einzusehen, doch wer hat schon diese langen Ohren betastet? Wahrscheinlich nur wenige wissen, dass es die Englischen Widder  sichtlich mögen, wenn ihre Ohren betastet werden und dies auf den Züchter beruhigend wirkt, eventuell hier liegt eines der Geheimnisse dieser Zucht verborgen.

Es ist zu wünschen, dass wir diese Rasse erhalten und alle Kleintierzüchter sich gegen Bedenken und unsachliche Angriffe der Tierschützer wehren, denn gestern waren es die Englischen Widder, heute die Schecken und morgen gleich welche Rasse, ob diese nun Rex, Riese, Zwerg usw. heisst.

Dieter Plumanns

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